Google hat kürzlich eine bahnbrechende Neuerung in seine Suchfunktion integriert: die sogenannten „AI Overviews“. Was zunächst wie ein kleiner Fortschritt in Zeiten von ChatGPT wirkt, hat das Potenzial, weitreichende Auswirkungen auf Medien, Online-Handel und andere digitale Wertschöpfungsketten zu haben.
Hintergrund und Ankündigung der AI Overviews
Auf dem Google Marketing Live-Event betonte Googles Führungsspitze die transformative Kraft dieser Entwicklung. Bereits auf der Google IO-Konferenz hatte CEO Sundar Pichai die Einführung neu gestalteter Suchergebnisseiten angekündigt, die durch KI erstellte Antworten auf Suchanfragen liefern. Das bedeutet, dass Google künftig viele Fragen direkt beantworten kann, ohne den Nutzer auf andere Websites weiterzuleiten.
Funktionsweise und Anwendungsbeispiele
Machbar wird dies durch das multimodale KI-Modell Gemini von Google. Dieses Modell ermöglicht es, nicht nur einfache Fragen wie „Wie reinige ich ein Stoffsofa?“ zu beantworten, sondern auch komplexe Suchanfragen zu bearbeiten. Beispielsweise könnte eine Suchanfrage wie „Finde das beste Yoga- oder Pilates-Studio in Boston und zeige mir Informationen zu ihren Neukunden-Angeboten sowie deren Entfernung zu meiner Adresse“ umfassend und direkt beantwortet werden.
Erste Schritte und geografische Ausdehnung
Die Einführung der AI Overviews startete zunächst in den USA und soll bis Ende des Jahres auf mehr als eine Milliarde Nutzer weltweit ausgeweitet werden. Ein konkretes Startdatum für Deutschland hat Google bisher nicht bekannt gegeben. Doch bereits die bisherigen „Featured Snippets“ haben gezeigt, dass solch direkte Antworten in den Suchergebnissen zu erheblichen Traffic-Einbußen für Drittseiten führen können.
Historische Entwicklung: Von der Such- zur Antwortmaschine
Google hat sich über die Jahre von einer reinen Suchmaschine zu einer Antwortmaschine entwickelt. Funktionen wie „Knowledge Panels“, „Featured Snippets“ und „Answerboxes“ wurden eingeführt, um Informationen direkt in den Suchergebnissen anzuzeigen. Diese Informationen stammen oft von anderen Websites, was für die Betreiber dieser Seiten zu erheblichen Traffic-Verlusten führen kann, wenn Nutzer die gewünschten Informationen bereits in den Suchergebnissen finden.
Herausforderungen für das Geschäftsmodell von Google
Die Einführung von KI-generierten Antworten innerhalb der Suchergebnisse wirft Fragen zur Vereinbarkeit mit Googles Kerngeschäft auf. Das Geschäftsmodell von Google basiert darauf, potenzielle Kunden zu den Websites von Werbetreibenden weiterzuleiten. Wenn Nutzer nun direkt auf Google Antworten finden und weniger häufig auf Anzeigen klicken, könnte dies die Einnahmen von Google beeinträchtigen. Trotz dieser Bedenken zeigt das jüngste Google Marketing Live-Event, dass Google fest an das Potenzial von Werbung in KI-generierten Antworten glaubt.
Werbemöglichkeiten in den neuen AI Overviews
Google plant, Anzeigen in den AI Overviews zu integrieren. Beispielsweise könnten Nutzer, die nach Reinigungsmethoden für ein Stoffsofa suchen, Werbung für Reinigungsmittel sehen. Diese neuen Werbeformate sollen eine nahtlose Integration von Werbung in die KI-generierten Antworten ermöglichen, was den Nutzern gezielte und relevante Werbeanzeigen liefert.
Kritik und Bedenken von Nutzern und Publishern
Die Einführung der AI Overviews hat jedoch auch Kritik und Bedenken hervorgerufen. Nutzer haben sich auf Social-Media-Plattformen darüber beschwert, dass Google ihnen die neue Funktion aufzwingt. Zudem gab es Berichte über fragwürdige Empfehlungen durch die KI, was das Vertrauen der Nutzer weiter beeinträchtigt. Auch Publisher und Website-Betreiber befürchten erhebliche Traffic-Verluste, da Nutzer ihre Antworten direkt von Google erhalten und nicht mehr auf externe Links klicken.
Auswirkungen auf das offene Web
Ein zentrales Anliegen ist die potenzielle Bedrohung des offenen Webs. Google-CEO Sundar Pichai betonte zwar, dass das offene Web weiterhin wichtig sei, doch die zunehmende Integration von KI in die Suchergebnisse könnte langfristig zu einer Verringerung der Besuche auf externen Websites führen. Publisher haben zwar die Möglichkeit, zu entscheiden, ob ihre Inhalte in den AI Overviews verwendet werden, doch dies wird die generellen Traffic-Rückgänge wohl nicht verhindern können.
Veränderungen für Werbetreibende
Auch Werbetreibende müssen sich auf tiefgreifende Veränderungen einstellen. Es bleibt abzuwarten, ob Anzeigen in den AI Overviews genauso gut geklickt werden wie herkömmliche Anzeigen. Google versucht, die Kaufentscheidungen und die Interaktionen mit den Kunden verstärkt auf der eigenen Plattform zu halten. Dies könnte dazu führen, dass Unternehmen mehr von den von Google gelieferten Daten abhängig werden, ohne selbst den Erfolg ihrer Maßnahmen umfassend messen zu können.
Fazit und Ausblick
Die Einführung der AI Overviews markiert einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung der Suchmaschinenlandschaft. Die Nutzung von KI zur Generierung direkter Antworten könnte das Nutzerverhalten und die digitalen Wertschöpfungsketten nachhaltig verändern. Während dies neue Möglichkeiten für zielgerichtete Werbung bietet, bringt es auch Herausforderungen und Bedenken für Publisher, Werbetreibende und Nutzer mit sich. Die langfristigen Auswirkungen dieser Entwicklung werden davon abhängen, wie Google die Balance zwischen den Bedürfnissen der Nutzer und den Interessen der verschiedenen Marktteilnehmer austariert.